Höchster Kreisblatt, Dienstag, 14. November 1989, S. 11

Stadt wappnet sich für die nächste Besucherwelle Scan

DDR-Touristen fahren mit dem FVV künftig kostenlos

Von Nicole Scherzer

Frankfurt. - Die Stadt wappnet sich für die nächste Besucherwelle aus der DDR. Mit einem "besser koordinierten Verfahren", das bis zum 31. Januar gelten soll, will Sozialdezernentin Hohmann-Dennhardt dem Ansturm begegnen. So sollen Banken, Sparkassen und das Zeil-Postamt den Touristen Begrüßungsgeld auszahlen.

Ihr schwebt vor, die Gäste aus der DDR im Stadtgebiet künftig kostenlos mit dem FVV fahren zu lassen. Dafür soll auf die 20 Mark Reisekosten-Zuschuß verzichtet werden. Das Verkehrsamt am Bahnhof wird an den Wochenenden von 7 Uhr an geöffnet sein und die DDR-Bürger informieren. Info-Stände mit Stadtplänen werden dort, bei allen Zahlstellen und Polizeiwachen aufgestellt.

Die Bundesbahn, die zur Zeit mit der DDR-Reichshahn über den Einsatz von zwei weiteren regulären Zügen pro Tag verhandelt, wird die Stadt künftig "unverzüglich" informieren, wenn Sonderzüge einrollen. Für das kommende Wochenende ist die Bahn "etwas besser gewappnet", so Pressesprecher Walter Heriss. "Wir ziehen Waggons von anderen Bahnhöfen ab und bereiten das Personal vor."

Die Vermittlung von Übernachtungsmöglichkeiten wird zentral über das Verkebrsamt (Telefon: 212-38708/9) abgewickelt. Mit der Messe GmbH wird die Stadt über Raum für 300 bis 400 Betten verhandeln. Die städtischen Küchenbetriebe werden künftig die Mahlzeiten kochen, das DRK überninunt Transport und Ausgabe. Kultur- und Sportdezernat sollen bis zur nächsten Koordinierungssitzung am Donnerstag eine Liste vorbereiten. Das Wittschaftsdezernat soll mit Geschäften über Öffnungsmöglichkeiten sprechen.

"Wenn sich die Stadt an mich wendet, wäre ich der letzte, der nicht mitmachen würde", sagt Alois Ammerschläger. Ich richte dann einen Notdienst ein." Der Einzelhandelsverband ist jedoch skeptisch: "Die längeren Ladenöffnungszeiten sind mitbestimmungspflichtig. Es wird schwierig sein, die Mitarbeiter zu motivieren", weiß Geschäftsführer Herbert Kämpfer. Der Kaufhof verhandelt mit dem Betriebsrat. Hertie-Betriebsratsvorsitzender Horst Landua: "Das können wir den Mitarbeitern nicht zumuten." Die Gewerkschaft HBV wolle offene Geschäfte am Wochenende nicht verhindem, jedoch müßten Regelungen für die Arbeitnehmer gefunden werden.


Anmerkungen: FVV=Frankfurter Verkehrsverbund, damals der regionale Nahverkehrsbetreiber, inzwischen im RMV aufgegangen. Zeil=Haupt-Einkaufsstraße in Frankfurt/Main. DRK=Deutsches Rotes Kreuz. Ammerschläger: großes Bekleidungsgeschäft.


  Frederik Ramm, 2001-04-27