Vierzehnter Tag: Montag, 10.4.95

immer noch Logbucheintrag vom 10.4., 9:20

Das Frühstück war Standard, also Rührei, Tomaten, Pilze, Cornflakes (diesmal leider keine Auswahl an Cereals) und Toast. Zum ersten Mal war das Ei gescheit gewürzt. Ich fürchte nur, daß die kommenden Tage eher von Auto- und Innenstadt-Streß geprägt sein werden, da meine beiden Reisebegleiterinnen schon um die Wette aussuchen, was man in Edinburgh alles Tolles machen kann.

Logbuch-Eintrag vom 10.4., 18:20, in der Jugendherberge (!)

Nach unserem Aufbruch besuchten wir zuerst die Pitlochry Hydroelectric Power Station, ein kleines Wasserkraftwerk. Dort wurde eigens für die im Sommer flußaufwärts ziehenden Lachse eine "Lachsleiter" eingerichtet, eine Reihe von verschieden hohen Bassins, die es den Lachsen ermöglichen sollen, den Höhenunterschied von rund 10m, der durch den Damm hervorgerufen wird, zu überwinden.

Danach, nur ein paar Meilen weiter, gesellten wir uns unauffällig zu einer Menschenmenge, die sich aus einem Reisebus auf dem Parkplatz der Edradour Distillery ergoß, und besichtigten diese. Ganz nett dort; Edradour ist Schottlands kleinste Destillerie, und darauf sind sie sehr stolz.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß der Whisky dort "handgemacht" ist - wenn man Maschinen sieht, dann sind die aus der Mitte des Jahrhunderts oder so. Edradour scheint die Hälfte seiner Einkünfte durch den Direktverkauf an Touristen im Anschluß an die Führung zu bestreiten. Für Interessierte habe ich einen eigenen Artikel über die Whiskyherstellung geschrieben, und die Edradour Distillery gibt's auch als Vollbild.

Danach besuchten wir die Kathedrale in Dunkeld - nichts Außergewöhnliches, aber ein netter Spaziergang, und es gibt auch ein paar Ausstellungsstücke dort. Besonders lustig fand ich die Kommunions-Tokens, die Mitte des 19. Jahrhunderts an die würdigen Gläubigen ausgegeben wurden (vielleicht mußte man den Katechismus auswendig hersagen können, um sich zu qualifizieren? Nee, zu der Zeit war die Kirche gar nicht mehr katholisch). Bei der Kommunion wurden die dann gegen die leichter verdaulichen Leib- Christi-Tokens ausgetauscht...

Das Wetter war inzwischen bemerkenswert, unser Auto- Außenthermometer zeigte sage und schreibe 15°C, und die Sonne schien. Wir fuhren weiter nach Perth, wo Ela gern die "Caithness Glass"-Fabrik ansehen wollte. Die waren zwar gerade etwas beim Umbauen, aber man konnte zahlreiche "Paperweights" (Briefbeschwerer) und noch ziemlich viel anderen, mehr oder weniger kitschigen Kram, der schön aussieht, aber daheim nur verstaubt, ansehen. Die wirklich gut aussehenden Stücke waren horrend teuer; wir schauten den Leuten noch ein bißchen bei der Arbeit zu und dampften wieder ab. Das Autofahren war inzwischen sehr unangenehm, viel Verkehr, viele Roundabouts und breite Straßen.

Wir waren nun etwas unschlüssig, was wir tun sollten; auf dem Programm standen eigentlich noch Culross, Stirling und bei dem tollen Wetter am besten auch eine Wanderung. Nachdem wir ein wenig planlos über kleine Straßen gefahren waren und keine angenehme Wandergelegenheit gefunden hatten, entschlossen wir uns für Stirling.

Hier war dann das absolute Verkehrschaos (so empfand ich es zumindest in Erinnerung der Ruhe der vergangenen Tage), dank Umleitung und Berufsverkehr. Schließlich brachte ich das Auto in der Nähe des Stirling Castle zum Stehen, maximale Parkdauer 60 Minuten. Taktisch klug - so konnte ich sicher sein, daß die beiden Damen auf der Suche nach einem Postamt nicht an jedem Schaufenster kleben bleiben konnten, denn davon gab es mehr als genug. Ach ja, das Postamt: Claudia wollte Geld von ihrem Postsparbuch abheben, da das in den kleinen Städten im Norden nicht ging und sie inzwischen ziemlich pleite war. Aber selbst hier ist das offenbar nicht möglich. Ein kleines bißchen Schadenfreude konnte ich mir nicht verkneifen, hatte ich doch das Postsparbuch noch nie für auslandstauglich gehalten und Claudia ec- oder Kreditkarte anempfohlen.

Logbuch-Eintrag vom 10.4., 20:30, in der Jugendherberge

Danach parkten wir das Auto um und investierten £ 3.50 pro Nase (ziemlich viel Geld, normalerweise wäre der Eintritt an unserem Geiz gescheitert, aber heute war mal Kultur angesagt), um Stirling Castle zu besichtigen. Das war dann auch ganz nett, halt wie man sich eine Burg- oder Schloßbesichtigung so vorstellt, mit allerhand Mäuerchen und Treppchen, Türmchen und Kerkern.

Besonders gut gemacht der Abschnitt über die Küche damals (mit vielen Wachsfiguren, man läuft mitten durch die Küche durch). Ich fand es auch sehr ansprechend, daß die königlichen Gemächer nicht mit "bitte nicht berühren"-Möbeln ausgestattet waren, sondern ganz minimalistisch eine Ikea- Sitzgruppe vor dem Kamin angeordnet war und sonst nix. Man konnte sich reinfläzen und sich besser als sonst vorstellen, wie es wäre, in so einem Schloß zu wohnen.

Außerdem beherbergt Stirling Castle auch noch ein Museum, das zwei Regimenter der "Argyll and Sutherland Highlanders (Queen Louise's)" zum Thema hat. Es gab eine ganze Menge Militärutensilien aus den vergangenen Jahrhunderten bis zum heutigen Tag zu sehen und haufenweise Pläne über irgendwelche Schlachten, die in Afrika, Rußland (Balaclava) oder sonstwo auf der Welt geschlagen wurden. Ich stehe zwar nicht so auf diesen Militärkram, aber die müssen ziemlich stolz auf besagte Regimenter sein. Viele kleine Dinge waren auch ganz nett anzusehen (Knöpfe mit eingebautem Kompaß und ähnliches).

Danach passierte ein Wunder: Wir beschlossen, in die in unmittelbarer Nähe des Schlosses gelegene Jugendherberge zu gehen; Claudia (die große Heldin) organisierte uns ein Viererzimmer. Hier nehmen sie es offenbar nicht so genau. Naja, ist auch eine Jugendherberge des höchsten Grades, da kostet eine Übernachtung mit Frühstück £ 10.15 (DM 24,-). Continental Breakfast, wohlgemerkt - aber einmal ohne Ei am Morgen ist auch ganz angenehm.

Nach dem Einchecken um 18:30 duschte Ela, und wir begaben uns nochmal in den vermeintlichen Stadt-Rummel - aber Pustekuchen: Um 19:00 macht alles zu, und die Straßen sind tot. Naja, fast alles - wir haben noch einen kleinen Laden gefunden, in dem wir Zutaten für ein Reisessen kauften, das wir jetzt zubereiten werden.


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  Frederik Ramm, 2001-04-28