Willkommen und Abschied

(Wir hatten offenbar gerade im Deutschuntericht, 11. oder 12. Klasse, Goethes gleichnamiges Gedicht behandelt.)
Es blinkt das Licht, geschwind zur Pause!
Es wird getan stets eh' gedacht.
Ein jeder wähnt sich schon zu Hause
Und sieht nur, daß er Blödsinn macht.
Schon sinkt des Lehrers laute Stimme
Im Lärm der ganzen Schülerschar
Und wenn der Lehrer leise wimmert,
Denkt er, wie's doch früher war.

Die Tafel, voll von Kreidestrichen,
Sieht kläglich in die Klass' hinein
Des Lehrers Schrift ist längst verblichen
Und ach, wie ist der Raum so klein!
Der Pauker ist ein Ungeheuer,
Doch frisch und fröhlich ist mein Mut.
Die Schule ist ihm lieb und teuer,
Für mich ist sie zum Spaßen gut.

Dich sah ich, und die milde Freude
Floß von dem süßen Blick auf mich;
Ganz war mein Herz an deiner Seite,
Und jeder Atemzug für dich.
Was kümmert mich des Lehrers Frage,
Sein Wettern und sein Sprachgewirr,
Für heute und für alle Tage:
Ich gehör' für immer dir.

Doch ach, es läuft die Uhr behende,
Der Zeiger nähert sich der Eins,
Grad hoffte ich noch nach dem Ende
- nun wünscht' ich glatt, es gäbe keins.
Ich ging, Du gingst in andre Richtung,
Zu Ende war der Schulen Zeit,
Zu Ende geht auch diese Dichtung,
Zu Ende sind nie Lieb' und Leid.

P.S.: Entschuldigung, mein lieber Goethen,
Daß ich verhunzte Dein Gedicht.
Ich tat es, ohne zu erröten,
Ich hoff', Du drehst im Grab Dich nicht!
Geschaffen in des Deutschen Stunden,
Ist dieses Werk mein liebstes Stück;
Zwar ist's dem Deinen sehr verbunden,
Doch bleib' ich hinter Dir zurück.

(1989 oder 1990)

Anmerkung: Wir hatten keinen "Gong", sondern ein Blinklicht, das das Ende einer Stunde anzeigte.


  Frederik Ramm, 2001-04-28