Versuchte Schließung der Bahnauskunft

Ein Sieg für die Internet-Nutzer

Im Mai 1997 leistet sich die Deutsche Bahn AG einen beachtlichen Coup, der nicht zuletzt durch massiven Wiederstand der Benutzerinnen und Benutzer des Internet vereitelt werden konnte.

Schon länger war die Bahn mit ihrer Haltung auf Unverständnis gestoßen, daß die Fahrplanauskunft sich finanziell "tragen" müsse. Die Auskunftsdienste im BTX und bei Compuserve waren stets kostenpflichtig.

Gegen den RailServer mit seinen bis zu 2000 Anfragen am Tag hat die Bahn nie etwas unternommen, vermutlich deshalb, weil er relativ unbedeutend war. Aber der kostenlose Auskunftsdienst der Firma HaCon lieferte seit Mitte 1996 online-Auskünfte im WWW und bearbeitet zur fraglichen Zeit, im Mai 1997, rund 20.000 Anfragen täglich.

Am 6. Mai 1997 ging bei HaCon die schriftliche Order der DBAG ein, der Dienst solle beendet werden. Überdies wünschte die DBAG, daß diese Tatsache möglichst verschleiert dargestellt würde, um nicht allzuviel Protest auszulösen. Dem Unternehmen in Hannover blieb keine Wahl - die Bahn hat sich alle Verwertungsrechte der Fahrplandaten vorbehalten. Wie gewünscht wurde also der Dienst mit einer vagen Meldung ("... der Dienst wird überarbeitet...") geschlossen.

Eine halbe Stunde nach der Schließung brach in der Newsgroup de.alt.eisenbahn (inzwischen ist die Gruppe in mehrere Untergruppen aufgeteilt worden) eine Diskussion los, was denn passiert sei. Ich bemühte mich, den wahren Sachverhalt - daß es sich nicht um Wartung, sondern um Schließung handelte - schnell unter die Leute zu bringen und erstellte zu diesem Zweck unter anderen eine eigene Webseite, die innerhalb von 12 Stunden über 1000mal abgerufen wurde.

Daß die Bahn tatsächlich die Sperrung des Dienstes wollte, beweist ein Brief, der einem der Beschwerdeführer (Jörg Herzer) am 13. Mai zuging (Kürzungen und Kommentare von J. Herzer in kursiv):

Abs.:
Deutsche Bahn
Unternehmensbereich Personenverkehr
Zentrale Kundenbetreuung

Bearbeitung: Jürgen Till

(Verweis auf T-Online, CompuServe und www.bahn.de, lohnt das Abtippen nicht) - Dann aber:

Um die Wirtschaftlichkeit der Fahrplan- und Fahrpreisauskunft in T-Online nicht zu gefährden, hatten wir die Firma Hacon gebeten, auf Ihren Auskunftsdienst kurzfristig zu verzichten. Diese Maßnahme wurde zwischenzeitlich jedoch wieder rückgängig gemacht, so daß Sie den Hacon-Service wie gewohnt nutzen können.

Derzeit bereiten wir einen Zugang zur Online-Fahrplanauskunft der DB im Internet vor. Nähere Informationen hierzu werden wir rechtzeitig veröffentlichen.

Dies ist insofern interessant, als daß die Bahn angesichts des Aufschreis schon wenige Tage später die offizielle Haltung einnahm, daß das ganze eine bedauerliche Störung bei dem Versuch, den Service auf einen eigenen Server-Rechner umzustellen, gewesen sei. Ich bin mit solchen Worten sonst sparsam, aber das ist eine dreiste Lüge, die leider so auch in der Presse erschien. Zu der Zeit wäre die DBAG gar nicht in der Lage gewesen, den Dienst auf einem eigenen Server zu betreiben, selbst wenn sie es gewollt hätte. Ich weiß, wovon ich spreche :-)

Zum Glück haben sich trotz der Vernebelungstaktik bereits am Tag der Sperrung so viele Menschen bei der Bahn AG beschwert, daß dort offenbar einige Leute rote Ohren bekommen haben (und das nicht nur wegen hunderter Telefonanrufe).

Schon einen Tag später, am 7. Mai 1997, konnte der Auskunftsservice bei HaCon wieder seinen Dienst aufnehmen, und unabhängig davon, wie sich die Sache weiterentwickelt, bin ich fest davon überzeugt: Die Bahn hat gelernt, daß wir Internet-Benutzer ernstzunehmen sind. (Die Auskunftsdienste bei Compuserve und T-Online sind meines Wissens Ende 1997 bzw. Anfang 1998 eingestellt worden.) Just one day later, on May 7th, the service was allowed to continue. I don't know how it will be in the future, but I think the people at DBAG have learned one lesson: That we Internet users are not to fool with. (The proprietary Compuserve and T-Online services have been closed in 1997 resp. 1998 as far as I know.)


  Frederik Ramm, 2001-04-24