Seminararbeit Slowakische Republik


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3. Der Transformationsprozeß in der CSFR und später der Slowakischen Republik

3.1. Privatisierung

Schon im Mai 1990 traten in der damaligen CSFR einige Wirtschaftsgesetze in Kraft, die Rahmenbedingungen für Aktiengesellschaften und Joint-Ventures aufstellten und die Eröffnung neuer privater Betriebe ermöglichten. Im Rahmen des radikalen Transformationskonzepts des tschechischen Wirtschaftsministers Vaclav Klaus wurden im Oktober 1990 mit dem "Restitutionsgesetz" und dem "Gesetz über die kleine Privatisierung" die ersten zwei Privatisierungsgesetze verabschiedet.

3.1.1. Restitution und kleine Privatisierung

Man begann mit der Restitution, also der Rückgabe von Klein- und Kleinstvermögen, die nach 1955 konfisziert wurden, an ihre ursprünglichen Besitzer. Bei wesentlicher Veränderung des Vermögensobjektes oder Bebauung zurückgeforderter Grundstücke wurde stattdessen eine finanzielle Entschädigung gezahlt.

Die "große Restitution", die Rückgabeansprüche aus Sozialisierungen zwischen 1948 und 1989, die im Konflikt mit der Charta der Vereinten Nationen standen, abgelten sollte, war in der Praxis von geringerer Bedeutung. Zwar schätzte man, daß bis zu 6% des staatlichen Vermögens unter dieses Gesetz fielen, aber zahlreiche Ausnahmen und enge Fristen für die Einreichung der Ansprüche führten dazu, daß die Auswirkungen der "großen Restitution" weit geringer waren als ihr Name vermuten läßt.

Im Rahmen der "kleinen Privatisierung" wurden bis zu ihrem Ende am 1.4.1994 ca. 9350 Geschäfte und Restaurants im Wert von rund 450 Millionen US$ versteigert (in der Tschechischen Republik wurde etwa das zweieinhalbfache Volumen erreicht). Im tschechischen Teil der Föderation führte die anlaufende kleine Privatisierung dazu, daß der Anteil des privaten Sektors am BIP innerhalb eines halben Jahres von fast Null auf 10% stieg; in der Slowakei erreichte dieser Anteil bis Mitte 1991 nur 4% (Havlik, S. 56). Im ersten Quartal 1993 kam auch die Slowakische Republik inzwischen auf einen Privatanteil von 29% am BIP, wofür die "kleine Privatisierung" maßgeblich verantwortlich war.

3.1.2. Große Privatisierung, Phase I

Ebenfalls schon Ende 1990 begann die Diskussion über die unvermeidbare "große Privatisierung", deren Gegenstand die größeren Staatsbetriebe sein sollten. Ein Gesetzesbeschluß hierzu, der neben der Zulässigkeit von Standardmethoden vor allem eine Massenprivatisierung über Coupons vorsah, wurde jedoch erst Ende Februrar 1991 gefaßt. Bis die "große Privatisierung" schließlich anlief, wurde es Oktober; das Interesse an den Couponheften, die für 1035 Kronen (ca. 35 US$) von jedem Bürger erworben werden konnten, war unerwartet hoch. Ein Couponheft hatte 1000 "Punkte", mit denen ihr Besitzer in einer ersten Privatisierungsrunde für die Aktien von rund 1.500 Staatsbetrieben Gebote abgeben konnte. Bei krassem Mißverhältnis von Angebot und Nachfrage kam kein Handel zustande, sondern der Betrieb wurde in einer weiteren Runde ausgeschrieben. In anderen Fällen wurde den Teilnehmern eine ihrem Gebot entsprechende Anzahl von Aktien bei der zentralen Verwaltungsstelle gutgeschrieben.

Häufig betätigten sich die Bürger allerdings - mangels Fachkenntnis und Interesse - nicht selbst an dieser "Privatisierungsbörse", sondern traten ihre Coupon-Rechte an Investmentfonds ab, die wie Pilze aus dem Boden schossen und die Interessenten mit wilden Versprechungen (von Renditen über 1000% war zuweilen die Rede) lockten.

Insgesamt wurden bis Ende 1992 in fünf Privatisierungswellen der "ersten Phase" Aktien im Nennwert von etwa 10 Mrd. US$ auf über 8,5 Millionen Bürger verteilt. Zu einer zweiten Phase sollte es in der Slowakei nie kommen.

3.1.3. Verzicht auf zweite Phase der Großen Privatisierung

Während man im tschechischen Teil der Föderation trotz wachsender Kritik die Reformen mehrheitlich akzeptierte, forderten schon im April 1992 61% der Slowaken eine Abkehr vom schnellen Reformkurs, da die Folgen (erhöhte Arbeitslosigkeit, inflationäre Preise für Konsumgüter) in der Slowakei weit deutlicher zu spüren waren als in Tschechien. Die im Juni 1992 gewählte Regierung Meciar forcierte daher die Selbständigkeit der Slowakischen Republik, um so ein eigenes Tempo bei der Privatisierung bestimmen zu können.

Es waren nicht nur unberechtigte nationalistische Zweifel am "Ausverkauf slowakischen Tafelsilbers an ausländische Investoren", die zu einer langsameren Gangart führten. Man erkannte auch das "Effective ownership"-Problem: In einer großen Anzahl von Unternehmen lag die Aktienmehrheit nach der ersten Phase der großen Privatisierung bei Aktienfonds. Die Hoffnung, daß allein durch die Privatisierung eine Effizienzsteigerung erreicht werden könne, da die neuen Eigentümer sicherlich Einfluß und Know-How nutzen würden, um die Unternehmen auf den "richtigen Weg" zu bringen, erfüllte sich nicht. Stattdessen existierten viele Betriebe weiter wie zuvor, zwar nun in den Händen anderer Eigentümer, aber nicht stärker oder besser gesteuert.

Diesem Manko versuchte man durch verstärkten Rückgriff auf Standardmethoden der Privatisierung, also Direktverkäufe an interessierte in- und ausländische Investoren, zu begegnen. Der Regierung Meciar wurde dabei mehrfach der Vorwurf gemacht, inländische Investoren unangemessen zu bevorzugen.

Die nach wie vor versprochene zweite Phase der großen Privatisierung wurde immer wieder verschoben; im März 1994 kam es zu einer Regierungskrise, bei der Meciars Partei HZDS auf die Oppositionsbank verdrängt wurde. Unmittelbar vor dem Regierungswechsel wurden noch schnell eine Reihe von interessanten Unternehmen an genehme Investoren veräußert, eine Aktion, die die nachfolgende Regierung Moravcik durch Klage beim Verfassungsgericht erfolglos rückgängig zu machen suchte. (Nur 4 von 53 der "Schnellprivatisierungen" konnten aufgrund von Formfehlern annulliert werden.)

Der Übergangsregierung unter Jozef Moravcik blieb, obwohl der politische Wille dazu vorhanden war, bis zu den anvisierten Neuwahlen im Oktober 1994 nicht genügend Zeit, das Ruder herumzureißen und die zweite Phase der großen Privatisierung per Couponmethode erfolgreich zu beginnen. So mußte man sich damit begnügen, einige Gesetze auf den Weg zu bringen und, Auge um Auge, unmittelbar vor einem sich abzeichnenden erneuten Wahlsieg Meciars im Oktober im Schnellverfahren 38 Unternehmen zu privatisieren. Nach den Wahlen wurden diese Privatisierungen allerdings noch vor der Kabinettsneubildung in einer Nachtsitzung des Parlaments kassiert, wesentliche Elemente des Privatisierungsgesetzes wurden wieder geändert, und die Führungspositionen der entscheidenden Stellen wurden mit HZDS-Schergen besetzt (Wohlleben 1995, S. 5).

Solche Vorgehensweisen lassen Experten der japanischen Nomura-Bank zu Recht von einer "Politisierung der Privatisierung" sprechen. Die Regierung Meciars versuchte (und versucht noch) konsequent, ihren persönlichen Einfluß durch die Privatisierung zu halten, wenn nicht gar zu vergrößern.

3.1.4. Aktuelles Privatisierungsprogramm der Slowakischen Republik

Mitte Juli 1995 hat das slowakische Parlament vier Gesetze beschlossen, die der großen Privatisierung ein Ende setzen und deren Inhalt ich im folgenden zusammenfasse. Staatspräsident Kovác (korrekte Schreibweise: ) hat zwar die Gegenzeichnung der drei wichtigsten Gesetze verweigert, eine erneute Absegnung im Parlament ließ sie jedoch trotzdem in Kraft treten.

Die Couponprivatisierung aus dem Jahre 1993 wird für beendet erklärt. 3,5 Millionen Slowaken, die bereits ein Couponheft für die erwartete zweite Phase der großen Privatisierung erworben haben, erhielten stattdessen zum Stichtag 1.1.96 fünfjährige Kassenobligationen mit einem Nominalwert von 10.000 Kronen. Obwohl das auch nach Deflationierung immer noch etwa das Siebenfache dessen ist, was für ein Couponheft gezahlt werden mußte, steht nun ein Nominalwert von nur rund 35 Milliarden Kronen einem Buchwert von 85 Milliarden gegenüber, den die ursprünglich einmal zur Privatisierung vorgesehenen Unternehmen hatten - die Opposition spricht von "Betrug am Volk" (Süddeutsche Zeitung, 14.7.1995 - Maximilan Seyer, Osteuropa-Experte der Bank Austria AG, bewertet den Coup so: "Die Slowakische Regierung hat unter Vortäuschung einer Privatisierung, die nicht stattfinden wird, zusätzliche 3,5 Mrd. Sk an Kapital aufgebracht.").

Diese Obligationen werden von einem "Fonds des nationalen Eigentums" (FNM) ausgegeben und sind auf dem Kapitalmarkt handelbar. Sie sind mit einer variablen Verzinsung ausgestattet, die an den Diskontsatz der slowakischen Nationalbank (Anfang 1996 9,75%) gekoppelt ist. Der FNM hält die noch nicht privatisierten Anteile aller Staatsunternehmen und privatisiert diese nach Standardmethoden, hauptsächlich über die Bildung von Belegschafts- und Managementgesellschaften. Sofern ein Unternehmen nicht per Direktverkauf privatisiert wird, können die Kassenobligationen können benutzt werden, um Aktien zu erwerben.

Ein Passus im Gesetz, der vorsah, daß die Kassenobligationen auch zum Erwerb von Wohnungen verwendet werden können, ist inzwischen für verfassungswidrg erklärt worden; alle anderen Regelungen ließ das von der Opposition angerufene Verfassungsgericht passieren. Kritiker fürchten, daß der FNM zum Stichtag in fünf Jahren nicht in der Lage sein wird, die ausgegebenen Schuldscheine zu bedienen. Dies wird davon abhängen, inwiefern des dem FNM gelingt, die Bürger zu bewegen, ihre Schuldscheine in Aktien zu investieren.

Das neue Gesetz schreibt vor, daß die Unternehmen der Elektrizitäts- und Gaswirtschaft, Rüstungsbetriebe, Post und Telekommunikation und einige weitere einzelne Firmen zunächst von der Privatisierung ausgeschlossen werden. Ferner werden 45 weitere bereits privatisierte oder noch zu privatisierende Unternehmen als "von strategischem Staatsinteresse" eingestuft. Hier soll der FNM auch dann, wenn er Minderheitsaktionär ist, über eine "Goldene Aktie" ein erhebliches Mitsprache- oder gar Vetorecht erhalten und dieses sowie die übrigen Aktionärsrechte auf ein Staatsministerium übertragen. Die Rechnung ging jedoch bisher nicht auf: Mitte November 1995 sollten die Sonderrechte des Staates auf einer außerordentlichen Aktionärsversammlung der Slovnaft a.s., einem der größten slowakischen Unternehmen, in der Unternehmenssatzung verankert werden. Die Mehrheit der Aktionäre lehnte diesen Eingriff rundweg ab, insbesondere auch deshalb, weil von staatlicher Seite bisher keine Definition zu erhalten war, was denn nun "strategische Interessen" sind, d.h. in welchen Fällen der Staat von seinen besonderen Rechten Gebrauch machen will. Bis Ende 1995 hat keine einzige Aktiengesellschaft die geforderten Sonderrechte gebilligt, und der FNM hat auch noch keine Rechte an Staatsministerien übertragen. Das Wirtschaftsministerium, das für den Gesetzesentwurf verantwortlich zeichnete, hat trotz zunehmenden Spottes in den Medien bisher keine verdeutlichende Stellungnahme zur Durchführung des Gesetzes abgegeben.

Die Rechte der Investitionsfonds werden dadurch beschnitten, daß kein Fonds mehr als 10% (die frühere Obergrenze war 20%) der Anteile eines Unternehmens halten darf. Die Aktienfonds, in die noch in der ersten Phase der großen Privatisierung rund zwei Drittel des Nominalwertes der privatisierten Gesellschaften flossen, müssen sich nun von Aktienpaketen trennen. Rudolf Lachkovic, Vorsitzender der Vereinigung Slowakischer Investment-Fonds, schätzt, daß von den über 300 Investmentfonds, die es vor den umstrittenen Gesetzbeschlüssen noch gab, langfristig nur etwa 10 übrigbleiben werden (TREND, Ausgabe 47/95, Seite 6b). Hinzu kommt eine Beschneidung des außerbörslichen Wertpapierhandels, den die Fonds bislang intensiv nutzten.

Kritiker werfen der Regierung Meciar vor, allein aus machtpolitischen Gründen eine Anzahl von Staatsunternehmen nicht verstaatlichen und den Einfluß der Fonds schmälern zu wollen. Realistischerweise muß man jedoch zugeben, daß der staatliche Einfluß auf die Wirtschaft nicht über das hinausgeht, was - zumindest noch vor einigen Jahren - in zahlreichen Ländern Westeuropas einschließlich der Bundesrepublik Deutschland durchaus üblich war. Man sollte also die Privatisierungsvorbehalte der Slowakischen Regierung nicht überbewerten. Trotz der beschriebenen Einschränkungen bleibt genug zu tun, und die Abkehr von der Couponprivatisierung allein muß kein Nachteil sein. Der Verkauf von Unternehmen an Belegschaftsgesellschaften birgt wegen hoher Kreditaufnahmen zwar die Gefahr einer Stagnation auf dem Kapitalmarkt, mindert andererseits das oben bereits erwähnte "Effective Ownership"-Problem.

Besorgniserregender sind da schon vereinzelte Nachrichten, inländische Interessenten würden auch in Fällen bevorzugt, in denen aus dem Ausland zehnfach bessere Angebote für einen Staatsbetrieb eingingen - bei aller Präferenz für inländische Investoren schlägt der Nationalismus hier über die Stränge.

Mitte 1995 hatte der Private Sektor in der Slowakei einen Anteil von 62% am BIP.

3.2. Währung, Kapitalmarkt und Inflation

Die Slowakische Republik verfügt über eine unabhängige Zentralbank nach deutschem Muster, deren oberstes Ziel die Wahrung der Stabilität der Slowakischen Krone ist. Das Zentralbankgesetz wurde dem deutschen Bundesbankgesetz nachempfunden. Im Westen wird die restriktive Politik der Zentralbank als positiver Gegenpol zu den oft populistischen Maßnahmen der Regierung Meciar gesehen. Schon Mitte 1995 erkannte Marian Jusko, Vizegouverneur der Nationalbank: "Unser Image ist gut, das der Republik könnte besser sein." (Die Welt, 9.5.1995)

Bald nach der Gründung der Slowakischen Republik wurde die Krone um 10% abgewertet. Seit 1994 hatte die Slowakei die zweitniedrigste Inflationsrate der Transformationsländer; seit Oktober 1995 liegt sie in der halbjährlichen Bewertung sogar vor Tschechien an erster Stelle (TREND, Ausgabe 1/1996, S. 11a). Für 1996 peilt die Nationalbank eine Inflationsrate zwischen 6 und 7,5% an, was angesichts der für 1996 erwarteten Freigabe der Energiepreise und des damit verbundenen allgemeinen Preisanstiegs ein ehrgeiziges Ziel ist.

Im Oktober 1995 trat das neue Devisengesetz der Slowakischen Republik in Kraft. Dieses Gesetz ist die formelle Umsetzung eines Abkommens mit IWF und beinhaltet unter anderem die Einführung des freien Erwerbs von Reisedevisen für Slowaken, die Möglichkeit des Unternehmenserwerbs im Ausland und die Konvertibilität der Krone für Transaktionen von Erwerbs- und Vermögenseinkommen. Für 1996 werden eine weitere Senkung der Inflation und die Konvertibilität für Transaktionen der Kapitalbilanz angepeilt.

Einige Restriktionen bleiben jedoch vorerst bestehen; zu den wichtigsten zählt die Pflicht slowakischer Unternehmen, im Ausland erzielte Devisen der Nationalbank zum Kauf anzubieten. Diese Maßnahme ist jedoch nur als eine Rückversicherung der Nationalbank zu verstehen, die im Falle von Devisenknappheit so auf größere Reserven zurückgreifen kann.

Die Währungsreserven sind 1995 in einem Maße gestiegen, "das nur wenige Optimisten vorauszusagen gewagt hätten"; Abbildung 2 verdeutlicht den krassen Unterschied zwischen den zu Jahresbeginn 1995 abgegebenen Prognosen und den tatsächlich erzielten Werten. Angesichts solcher Zahlen und in Anbetracht der Tatsache, daß die Nationalbank 1995 darauf verzichten konnte, bereits gewährte Kredite internationaler Organisationen in Anspruch zu nehmen, ist das erwähnte De- visenvorkaufsrecht praktisch irrelevant.
Der Diskontsatz konnte 1995 zweimal gesenkt werden (März: von 12 auf 11; Oktober: Auf 9,75%); für die erste Hälfte 1996 wird eine erneute Senkung um rund ein Prozent erwartet. Nachdem private Banken auf die erste Senkung des Diskontsatzes im März 1995 vor allem mit einer leichten Senkung der Kreditzinsen reagierten, erreichte die zweite Absenkung des Diskontsatzes endlich auch eine Anpassung der Guthabenszinsen auf Sparguthaben und kurzfristige Einlagen. Bis dato wurden für solche Einlagen 14, 15 und manchmal sogar 16% Zinsen gezahlt; für ein Land mit dieser Inflationsrate unangemessen viel. Die Pro-Kopf-Auslandsverschuldung in der Slowakei ist mit 800 US$ die niedrigste unter den Transformationsländern (Blick durch die Wirtschaft, 15.5.1995) mit einem Defizit des Staatshaushalts von 4% des BIP 1995 nähert man sich stetig dem Maastricht-Konvergenzkriterium (maximal 3%).

3.3. Rechtliche und infrastrukturelle Grundlagen des Unternehmertums

Nahezu alle rechtlichen Rahmenbedingungen für Unternehmer in der Slowakischen Republik sind spätestens seit 1995 dem westeuropäischen Standard angepaßt. Alle wesentlichen Gesellschaftsformen - neben der AG und der GmbH auch die KG und OHG - sind verfügbar. Die Lohnkosten sind trotz vergleichsweise hoher Qualifikation der Arbeitskräfte geringer als in der Tschechischen Republik oder Ungarn.

Die vom Arbeitgeber zu leistenden Sozialabgaben summieren sich auf 38 Prozent.

Doppelbesteuerungsabkommen existieren mit fast allen Staaten Westeuropas, ebenso wie Investitionsschutzabkommen. Der Mitte 1995 herausgegebene "Investitionsführer" der FAZ attestiert der Slowakischen Republik in den Punkten Devisen- und Außenhandelsrecht, Steuerrecht, Unternehmensrecht und Arbeitsrecht gute Noten im Vergleich mit den mittel- und osteuropäischn Transformationsstaaten. Die geplanten Ausgaben der Regierung für Infrastrukturmaßnahmen betrugen 1995 260 Millionen US$, 1996 ist die doppelte Summe vorgesehen. Für den Ausbau der Autobahnen sollten 1995 100 und 1996 500 Millionen US$ ausgegeben werden. Am 11. Dezember 1995 wurde ein Vertrag mit der EU unterzeichnet, der der Slowakischen Republik für die kommenden fünf Jahre Unterstützung in Höhe von mindestens 200 Millionen Ecu für den Infrastrukturausbau, die Entwicklung des Privatsektors und die Unterstüzung der EU-Integration zusichert.

Wie in anderen Transformationsländern leiden auch die slowakischen Banken sehr unter den Zahlungsschwierigkeiten ihrer Großkunden. Ein Anfang 1995 entstandener Bericht der Weltbank beschreibt die Beschleunigung der Konkursabwicklung - entsprechende Gesetze existieren seit 1993, doch sind die Konkursverfahren sehr langwierig - und die uneinbringlichen Forderungen der Banken und der Firmen untereinander von rund 600 Millionen US$ als wichtigste Bereiche. Zur Stärkung des Bankensektors stellte die Weltbank einen Kredit in Höhe von 120 Millionen US$ in Aussicht.

3.4. Arbeitslosigkeit

Die Arbeitslosigkeit in der Slowakischen Republik ist relativ hoch. Ende Oktober 1995 betrug die monatliche Quote 12,8%; als Jahresschnitt für die kommenden Jahre wird jedoch weiterhin eine Zahl von rund 14% angenommen.

Die regionalen Unterschiede sind gravierend: In der Haupstadt Bratislava herrscht fast Vollbeschäftigung, während in den ärmeren Gebieten im Osten des Landes teilweise über 25% erreicht werden.

3.5. Foreign Direct Investments

Trotz beachtlicher wirtschaftlicher Erfolge ist es der Slowakei bisher nicht gelungen, ausländische Investitionen in ähnlichem Umfang wie die Nachbarländer Polen, Ungarn oder Tschechien anzuziehen (Abbildung 5 ist hier etwas irreführend, da sie die Zahlen pro Einwohner darstellt). Einer Untersuchung des Slowakischen Wirtschaftsmagazins Magazins TREND zufolge fließt ein Großteil der ausländischen Investitionen in den Produktionsbereich, wo bei relativ geringem Risiko in kürzester Zeit Erträge zu erwarten sind. In diesem Bereich sind die Veränderungen, die der Zufluß ausländischen Know-Hows und Kapitals mit sich birngt, besonders gravierend und offensichtlich. Moderne Marketingmethoden, Marktforschung und Produktdesign werden eingeführt. In den meisten Betrieben mit ausländischer Beteiligung konnte die Beschäftigtenzahl erhöht werden.

Als negative Effekte werden vor allem genannt, daß ausländische Investoren dazu neigen, Subkontrakte an ausländische Dienstleister zu vergeben, anstatt slowakische Betreibe zu beauftragen. Außerdem zeigen ausländische Investoren häufig Interesse an Produktionsbereichen, die die Umwelt außerordentlich stark belasten.

Bis Ende 1994 wurden insgesamt rund 450 Millionen US$ von Auslandsfirmen in der Slowakischen Republik investiert; dieser Betrag wird, gemessen an den Summen, die in die Nachbarländer Ungarn und die Tschechische Republik fließen, als unverhältnismäßig niedrig angesehen (Handelsblatt, 5. Januar 1995). Bis zum Ende des 3. Quartals 1995 stieg der Betrag auf 660,8 Millionen US$; die Summe ist noch immer gering, aber die Geschwindigkeit des Anstiegs läßt hoffen.

Otto Cheovic, Direktor der kürzlich neu gegründeten Agentur für ausländische Investitionen und Entwicklung (SNAZIR), sieht die Zukunft in rosaroten Farben. Als Hauptgrund für das bislang mangelhafte Intersse ausländischer Investoren sieht er das junge Alter der Republik und die damit zusammenhängende Unsicherheit der Investoren in Bezu auf das institutionelle und rechtliche Umfeld. "Strategische Investoren" orientierten sich langsam gen Slowakei, und zunehmend bestünde auch Intersse an nicht-industriellen Bereichen der Wirtschaft (vor allem Banken). Auch pflege man vermehrt Kontakte zu japanischen, asiatischen und arabischen Investoren. Die Slowakei habe eine günstige geographische Lage und preiswerte Löhne zu bieten, hochmotivierte und gut ausgebildete Arbeitskräfte sowie eine breitgefächerte industrielle Basis.

3.6. Außenhandel

Im Außenhandel der Slowakischen Republik nahm die ehemalige Schwesterrepublik Tschechien erwartungsgemäß lange Zeit einen Spitzenplatz ein. Sowohl bei den Lieferländern (mit rund 30% der Importe) als auch bei den Abnehmerländern (rund 37% der Exporte) lag Tschechien 1994 mit Abstand vorn. Neben bestehenden Wirschaftskontakten aus der CSFR-Zeit war hierfür auch ein Clearingabkommen verantwortlich, das es beiden Seiten bis zu seiner Kündigung zum 1.10.1995 ermöglichte, Handelsüberschüsse bis zu einer Höhe von 130 Millionen Verrechnungs- Ecu in den jeweiligen Landeswährungen abzurechnen. Die Kündigung erfolgte auf Betreiben der Tschechischen Republik, da sich das Abkommen insgesamt einseitig zum Vorteil der Slowakei auswirkte.

Die übriggebliebene Zollunion beider Staaten ist seit längerem, insbesondere von slowakischer Seite, Belastungen ausgesetzt. Mit nichttarifären Handelshemmnissen und Schutzzöllen behindert die Slowakei auch die Einfuhr tschechischer Güter. Einen flagranten Bruch der gegenseitigen Vereinbarungen beging die Slowakei nach tschechischer Ansicht mit der Entscheidung, die Importzölle für aus Drittländern importierte Kleinwagen abzuschaffen. Im Grundsatz eine lobenswerte Liberalisierung, trifft diese Maßnahme besonders die tschechischen Skoda-Werke, deren Marktstellung bisher auch in der Slowakei künstlich verbessert wurde (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13. September 1995). Ob dieser Entscheidung bewarfen sich die Medien und ausgewählte Politiker beider Länder eifrig mit Schlamm. Dem besonnenen tschechischen Regierungschef Klaus gelang es zwar, die Wogen zu glätten, doch zeigt diese Beispiel deutlich die ungewöhnliche Belastung der tschechisch- slowakischen Beziehungen. Es ist zu erwarten, daß der Handel zwischen beiden Ländern langfristig auf ein normales Maß zurückgehen wird.

Zum 3.3.1994 hat die Regierung einen Importzuschlag von 10% eingeführt, der zunächst bis 1.7.1994 befristet sein sollte und auf Importe einer Reihe von Luxusgütern in Lebensmitteln aus der ganzen Welt erhoben wurde. Dieser Zuschlag verletzt weder die Zollunion mit der Tschechischen Republik noch das GATT. Es handelte sich in erster Linie um einen Schutzzoll zugunsten der heimischen Wirtschaft; auch waren die seinerzeit sinkenden Devisenreserven der Nationalbank ein Grund für die Einführung.

Wegen der insgesamt positiven Auswirkungen des Zuschlags wurde er bis heute beibehalten. In Verhandlungen mit dme IWF stimmte die Slowakische Regierung jedoch einer Absenkung des Importzuschlags auf 7,5% zum 1.1.1996 zu. Zugleich wird die Regierung Maßnahmen ergreifen, die Exportwirtschaft zu fördern; insbesondere sind für 1996 verkürzte Mehrwertsteuererstattungsfristen, Zollvergünstigungen und verbesserte staatliche Informationen über den Außenhandel geplant. Die Exportwirtschaft zeichnet schon heute für einen etwa 55%igen Anteil an der Wirtschaftsleistung der gesamten Slowakischen Republik verantwortlich (Blick durch die Wirtschaft, 23.10.95).


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Frederik Ramm, Januar 1996