Wintergrüße aus Island (Teil 1)

(Aus einem Reisebericht über eine Islandreise im Januar 1999.)

Hallo, liebe Daheimgebliebenen und Woandershingefahrenen,

hier ist wieder Euer Fred aus der Ferne. Ein Wunder, daß mein tiefgefrorener Libretto noch funktioniert, aber die Technik macht halt auch Fortschritte. Ich bin seit drei Stunden in Island und bereits deprimiert. Es ist viertel vor zehn und immer noch kein bißchen hell. Ich sitze in einem bescheuerten Einkaufszentrum, in dem alle Läden erst um 10 aufmachen. Immerhin habe ich mich strategisch geschickt vor einem "Nykaup" plaziert, in dem ich einigen Proviant erwerben werde, wenn er denn je aufmacht.

Am Flughafen angekommen, habe ich mir für ein Heidengeld ein kleines schnuckliges vierradgetriebenes Auto gemietet. Es ist nicht so groß wie ein Berlingo, und es macht bei 90 bereits die Geräusche, die der Berlingo bei 120 macht. Überhaupt hat der Wagen ein ganz komisches Fahrverhalten; aus dem Stand beschleunigt er nie, ohne einen in den Sitz zu drücken (Automatik), also von 0 auf 20 in einer halben Sekunde oder so, aber danach ist alles eher lau, und wenn man eine leichte Steigung mit 80 fährt, kann man noch so dolle aufs Gaspedal drücken, schneller wird der Wagen nimmer. Außerdem glaube ich, daß die Kiste durch ihren Antrieb vielleicht die Gefahr eines Unfalls verringert, aber wenn es einen Unfall gibt, wäre ich vermutlich mit dem halb so teuren Opel Corsa besser dran. Dies ist eine Blechdose.

Leider habe ich keine Anleitung dazu und weiß daher nicht, was das Symbol

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bedeutet, das immer vorne aufleuchtet. Daß der Allradantrieb an ist? Aber es ist gar kein Schalter da, um ihn abzuschalten. Oder vielleicht "Achtung, dieses Fahrzeug fährt zwar auf vier, lenkt aber nur auf zwei Rädern"?

Die Hauptstraßen sind frei, aber sobald man in eine Seitenstraße einbiegt, sollte man keine heftigen Lenkbewegungen mehr machen. Naja. Ich bin dann vom Flughafen in die Stadt gezuckelt, erstmal dreimal Reykjavik umkreist, weil ich nicht wußte, welchem Schild ich wohl zur Stadtmitte folgen soll (irgendeins hieß immer "Mjöld" oder so, aber das stellte sich als falsch heraus). Schließlich konnte ich in ein kleines Cafe einkehren und ein provisorisches Frühstück bestellen. Das ist echt ulkig in der Stadt. Stellt euch vor, in Frankfurt würden plötzlich alle Läden beschliessen, nachts um 4 aufzumachen. Kunden wären dann natürlich keine da, und es wäre stockdunkel, aber in den Läden Licht und Personal. So ungefähr ist es hier, zumindest um 9.

Ich bin recht müde. Ob ich nachher im Auto ein bißchen schlafe? Auf der anderen Seite will ich die kostbaren Tagesstunden ungern verschenken. Die Autovermietung hat einen Sondertarif mit unbegrenzten Kilometern. Ob ich doch die 1500 Kilometer um die Insel herumfahren soll?

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  Frederik Ramm, 2003-01-08