Liebe Leserinnen und Leser,
wenn ich das hier abschicke, bin ich bereits wieder zu Hause; im Augenblick, da ich es schreibe, sitze ich jedoch in meinem Zimmer in einem kleinen Gästehaus in Keflavik, dem Ort direkt neben dem internationalen Flughafen.
Zunächst einmal sei angemerkt, daß ich das Rätsel um die komische Kontrollampe im Auto gelöst habe, und dafür, daß ich nicht früher drauf gekommen bin, darf ich mich ohrfeigen: Es ist natürlich die Differentialsperre. Da sie bei Abholung des Autos eingeschaltet war, bin ich auch die ganze Zeit so mit dem Auto gefahren - und ich wundere mich noch, daß der Wagen sich beim Lenken manchmal komisch verhält!
Heute morgen war ich noch einmal kurz im Einkaufszentrum, um nach einem Buch über einen obskuren isländischen Maler, dessen Namen ich schon wieder vergessen habe und dessen Bilder nach meinem Dafürhalten wie jene Otto Dixens aussehen, zu suchen. Dann nahm ich eine heiße Schokolade in der Perlan-Cafeteria ein. (Diese Lokalität kann ich jedem Reisenden wärmstens empfehlen!)
Übrigens ist das mit den Namen so: Traditionell bildet sich der Nachname der Kinder aus dem Vornamen des Vaters und angehängtem -son oder -dottir, aber man kann auch den Namen der Mutter nehmen, und außerdem können sich das die Kinder auch selbst nach Belieben aussuchen, wenn sie erwachsen sind.
Das Wetter war heute morgen sehr gut, und ich bin noch ein bißchen mit dem Auto in R. herumgekurvt. Dann machte ich mich auf den Weg nach Süden; ich wollte um die Halbinsel, auf der Keflavik liegt, einmal herumfahren. Zunächst fand ich aber die gewünschte Straße nicht und endete irgendwo am Ende eines Schotterwegs an einem See. Also spazierte ich ein wenig über so ein Lavafeld, und auf dem Rückweg nahm ich einen Anhalter mit, der, wie sich herausstellte, ein deutscher Maler war und in so einem Künstlerzentrum "auf der grünen Wiese" gerade "arbeitete". Er mußte nach R., um dort eine Aufsichtsschicht im Museum für moderne Kunst zu schieben, in dem einige seiner Werke ausgestellt wurden. Nachdem ich ihn in Hafnafjördur, einem Vorort R.s (zugleich zweitgrößte Stadt der Insel - es gibt nur drei mit > 10000 Bewohnern), abgesetzt hatte, fand ich im zweiten Anlauf auch die Straße Nr. 42, die zunächst gut befahrbar schien, aber nachdem ich an einem Steinbruch vorbeigefahren war, zu dem alle fünf Minuten ein LKW pendelte und so die Straße warmhielt, sah es nicht mehr so rosig aus. Es ging den Berg hoch, hatte nur eine Fahrspur, und die konnte man nicht richtig sehen. Ich zögerte erst, drehte um, suchte, ob das auch wirklich die Straße 42 und nicht irgendein Feldweg war, aber dann kroch ich mutig mit meinem Auto bergan.
Die Gegend war sehr schön, in der Ferne erhoben sich allerlei majestätische
Berge, und ich kam an einem großen See und einigen dampfenden Quellen vorbei.
Außer mir benutzte niemand diese Straße,
zumindest war niemand zu sehen - ein paar Reifenspuren im Schnee
ermunterten mich aber. Ich bin streckenweise ziemlich wild herumgeschlittert,
aber nirgendwo hängengeblieben. Auf einem langen
Stück Straße konnte man ziemlich schlecht sehen, weil der Wind
von den Bergen Schnee über die Straße wehte, und zwar so einen
ganz feinen Staub und ganz großflächig - das sieht aus, als ob
sich der Grund bewegt, manchmal auch so, wie sich die Nebelschwaden
von Trockeneis langsam erheben. Wenn diese kleinen Schneeflöckchen
ans Auto gelangen, schmelzen sie sofort und gefrieren dann aber
durch den Fahrtwind wieder, so daß das Auto nachher mit einer Eisschicht
bedeckt war.
Als ich das Ende der Straße 42 und damit den freien Blick über den Ozean nach Süden erreichte, mußte ich leider sehen, daß die von mir geplante Weiterfahrt westwärts nicht möglich war ("Lokad" - Straße gesperrt). Also hoffte ich, daß die diversen Schnewehen, durch die ich auf dem Hinweg noch mit Ach und Krach durchgekommen war, inzwischen nicht weiter angschwollen sein würden, und wendete. Nun hatte ich die Sonne im Rücken, was die Sicht verbesserte und die Aussicht noch beeindruckender erscheinen ließ. Ich erreichte sicher wieder die Hauptstraße von R. nach Keflavik und fuhr geradewegs dorthin.
In Keflavik angekommen, mietete ich mich in einem Gästehaus der gleichen Preiskategorie wie in R. ein (3800 kr, das sind so ca. 45 Euro). Das ist das billigste, was man hier haben kann, wenn man nicht gerade mit Schlafsack und Handtuch reisen will. Im Som- mer sind die Preise noch mal 10-20% höher. Ich bin dann noch ein wenig in Keflavik umherspaziert, habe ein Nickerchen gemacht, mei- ne Sachen umgepackt, bin zum Flughafen gefahren - da war es 19:00, und ich war außer zwei Grenzbeamten der einzige Mensch da, ich mußte erst jemanden rausklingeln, um mein Gepäck aufzugeben! - checkte ein und fuhr wieder zurück. Das Auto kann ich morgen früh noch zurückgeben, da spare ich schon das Taxi zum Flughafen, für das ich zusätzliche Zeitreserven hätte einrechnen müssen. Boarding Time ist 7:05, die Fahrt von hier zum Flughafen dauert 5 Minuten (exakt!), Auto-Rückgabe und Paßkontrolle - naja, ein Weckruf um 6:30 sollte reichen, wenn ich auf das Frühstück verzichte und alles generalstabsmäßig plane. Alle Kleidungsstücke bereits in der richtigen Reihenfolge bereitlegen und so :-)
Ich hoffe, Euch hat dieser kleine Reisebericht gefallen. Ich kann Island als Reiseziel durchweg empfehlen; man darf halt nicht ganz so arg aufs Geld schauen und sich immer ausrechnen, wie viel teurer etwas ist als zu Hause, und man sollte außerdem die Reisezeit mit Bedacht wählen. Der Winter hat seine besonderen Reize, aber man muß halt in der Lage sein, mit den langen Abenden etwas anzufangen. Ich könnte mir gut vorstellen, hier einfach mal so, ohne viel Sightseeing, einen Winter zu verbringen. Im Sommer ist es sicherlich ganz anders, teurer, touristischer, aber auch mehr los, Mitternachtsparties auf den Straßen und so weiter. Bestimmt auch nicht schlecht. Richtig stilvoll wäre es, mit dem Schiff anzureisen, das ist offenbar möglich, von Hamburg aus mit Zwischenstop auf den Färöer-Inseln.
Ich bin ab jetzt wieder zu Hause zu erreichen.
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