Wintergrüße aus Island (Teil 4)

(Aus einem Reisebericht über eine Islandreise im Januar 1999.)

Frühstück um 9:30. Um 9:45, und das erfuhr ich um 9:40, bot sich die Gelegenheit, an einer Snowscooter-Fahrt teilzunehmen. Von einem Monster-Jeep wurde ich abgeholt, 4 andere Teilnehmer saßen bereits drin. (Es war ein Jeep, von dem ich bisher dachte, es gäbe ihn nur als Modellauto.) Wir fuhren raus in den Schnee, irgendwo war ein kleines Hotel, wo die Firma ihre Scooter gelagert hatte. Insgesamt waren es 9 Leute, und so bekam ich als "Rest" einen Scooter allein (die anderen teilten sich jeweils einen).

Das Wetter ist heute nicht toll; es ist zwar hell, aber neblig; man sieht die Sonne nicht, und es gibt keine Schatten.

Und so tuckerten wir über den Schnee. Ich war zuweilen der letzte und konnte daher immer wieder mal ein bißchen abwarten und dann mit Vollgas aufschließen. Weil ich alleine auf dem Scooter saß, hüpfte ich auch immer etwas extravaganter über die Hügel, aber es hat viel Spaß gemacht (nachdem ich erstmal darauf gekommen war, mein Gesicht hinter die Windschutzscheibe zu ducken und auf die Weise dem kalten Nieselwindschneeregen auszuweichen).

Auf dem Rückweg kurze Pause in einem einsamen Cafe (kaffi), und ich fand heraus, daß zwei meiner Mitfahrer Schotten sind. Eine Tänzerin und ein Kurier aus Edinburgh. Die anderen waren "from the States", einen der billigen Iceland-Air-Flüge nutzend.

Hier in Island gibt es auch sehr viele Flugplätze, und ein relativ hoher Prozentsatz der Bevölkerung besitzt Privatflugzeuge. Wenn ich den Flugschein hier machen könnte, hätte ich gleich die Zulassung für Europa. Mal rausfinden, was das kostet. Vermutlich aber recht viel.

Übrigens habe ich das Rätsel um -dottir und -son halb gelöst. Das ist alte isländische Tradition. Es gab aber eine Zeit, in der man die dänische Tradition, Namen nach dem Herkunftsort zu erzeugen (also a la Paul von Schockemöhle), übernommen hatte und es als snobistisch galt, -son oder -dottir zu heißen. Inzwischen ist das aber wieder der Standard. Ich hab noch nicht richtig raus, wie das funktioniert, aber das werde ich schon noch in Erfahrung bringen.



Nach einem kurzen Mittagsschlaf fragte ich meinen Gastwirt, wo ich wohl CDs von John Leifs (gesprochen: Jo:n Le:fs) bekomme. Sagt er: "Then, we best call Paul, because Paul has a company who make them." Ruft bei Paul an und gibt mir Instruktionen, wie ich eine Firma namens ITS erreiche. Die macht um 16:00 zu (es ist 15:50). Ich also zum Auto gestürzt, es vom Schnee befreit, und ab die Post, zum Glück kenne ich die Straßen Reykjaviks ja bereits wie meine Westentasche. Als ich ankomme, haben sie sie Objekte meiner - bzw. eines meiner Abonnenten - Begierde bereits artig bereitsgestellt, und ich muß nur noch bezahlen.

Danach begab ich mich ins Kringlan-Einkaufszentrum zurück. Werbung und Produktbeschriftungen sind oft englisch - das könnte man sich in Deutschland nicht leisten. Zum Beispiel "Always on your mint" für After Eight. Würde das die Zielgruppe bei uns erreichen? Allerdings ist die erste Fremdsprache hier nicht immer Englisch; Englisch muß sich den ersten Platz mit Dänisch teilen. Mit Dänemark, der ehemaligen Kolonialmacht, fühlen sich die Isen immer noch sehr verbunden. 560 Jahre lang war Island mehr oder weniger dänisch, bis 1944. (Kurioserweise haben sie ihre endgültige Unabhängigkeit Hitler zu verdanken, der Dänemark besetzt hatte.)

Daher versprach ich mir gute Chancen, hier auf einen der begehrten Lego Robotics-Baukästen zu stoßen. Mit dieser Erweiterung der Lego-Serie kann man computergesteuerte Roboter basteln, und ich habe schon immer gern mit Lego gespielt. Lego ist eine dänische Firma, und die Lego Robotics-Serie wurde in Zusammenarbeit mit dem MIT entwickelt. Da schließt sich also der Reise-Kreis. Leider ist Lego Robotics hier, wie auch in den USA, ausverkauft.

Nachdem ich ein wenig im Einkaufszentrum umhergezogen war, entdeckte ich ein Kino. Ich beschloß, dort eine Karte für die 18:30-Vorstellung von "Enemy of the State" zu kaufen. Die Filme sind hier alle mit isländischen Untertiteln. Island hat nur 270.000 Einwohner, und es gibt noch eine Minderheit in Kanada irgendwo, die vor 100 Jahren ausgewandert ist und sich seitdem in Inzucht geübt hat, aber so viele sind das wohl nicht. Sonst spricht niemand diese Sprache, und für die paar Kroner lohnt sich halt die Synchronisation nicht.

Der Film war ganz ok. Man müßte eine Firma aufmachen, die Leuten hilft, dem - realen oder eingebildteten - staatlichen Überwachungsnetz zu entwischen. Alles ganz legal, natürlich. Protect your privacy und so. Ich glaube, damit kann man viel verdienen. Für die potentiellen Existenzgründer unter meinen Abonennten: Ich setz' das mal auf meine Liste von Geschäftsideen, über die wir bei Gelegenheit plaudern müssen. Es muß ja nicht immer Computer sein.

Danach war ich noch in einer Pizzeria. Auf der Heimfahrt spielten sie schon wieder dieses "Ameno" in einer Techno-Version im Radio. Das kommt andauernd, muß hier gerade der Hit sein. Alleine bei leichtem Schnee in einem halbwegs Jeep-artigen Auto mit lauter Musik durch einsame, vereiste Straßen zu fahren (nicht in Wohngebieten, natürlich) macht auch Spaß! Das Auto ist manchmal etwas zickig, insbesondere, wenn man im Rückwärtsgang mehr als 20° lenken will, aber ich habe es schon ein bißchen liebgewonnen.

So, jetzt will ich diese Nachricht mal auf den Weg schicken. Morgen abend werde ich in einem anderen Hotel sein, und ob ich da nochmal was absetzen kann, ist fraglich.

Strom ist hier übrigens praktischerweise genauso erhältlich wie bei uns, also aus den gleichen Dosen. Telefon hat in der Regel die normalen Western-Stecker. Hergestellt wird der Strom vor allem durch Wasserkraftwerke, es gibt aber auch zwei geothermische Kraftwerke. Gleich hier um die Ecke ist "Perlan". Das ist ein Gebäude, das etwa so aussieht: Man nehme sechs Zylinder, die etwa so proportiniert sind, daß eine Kugel hineinpassen würde, und stelle sie im Kreis auf. Dann setze man obendrauf eine gläserne Kuppel, die einen etwas größeren Durchmesser als ein einzelner Zylinder hat. In der Kuppel ist ein rotierendes Restaurant. In den Zylindern sind jeweils (!) 4 Millionen Liter heißes Wasser. Das kommt hier einfach so aus der Erde. Wenn es die Haushalte erreicht, ist es immer noch 75° warm. Leider riecht es furchtbar nach Schwefel. Das ist zwar nicht ungesund (in haushaltsüblichen Mengen zumindest nicht), aber unangenehm beim Duschen.

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  Frederik Ramm, 2003-01-08