Hallo,
ich bin's, der König der Landstraße, mit einem neuen Island-Report.
Also, ich muß sagen, ich bin beeindruckt. Ich vermute, Island ist das Land, das dem Matriarchat am nächsten kommt. Alle, die was zu sagen haben, sind Frauen. (Nicht daß man das am Vornamen erkennen könnte, aber extra für uns Ausländer hängen sie alle an ihre Namen "-son" oder "-dottir" an. Bis auf Halldor Laxness, der ist wohl neutralen Geschlechts).
Auch die Straßen und Cafes des nächtlichen Reykjavik werden vor allem vom weiblichen Geschlecht bevölkert. Hm; vielleicht war Island ja vor nicht allzulanger Zeit in einen Krieg verwickelt, der alle Männer im wehrfähigen Alter ausradiert hat, und wir haben davon durch eine fiese Weltverschwörung nichts mitbekommen?
Vielleicht ist es aber auch so, daß die Männer alle zu Hause sitzen und sich zusaufen. Das macht man hier nämlich so: Erst zuhause saufen und dann ausgehen. Hab ich in einem Reiseführer gelesen, ehrlich.
Eine Disco oder sowas konnte ich nicht finden, aber ich habe ein paar Cafes besucht. Das Preisniveau in der Gastronomie ist außergewöhnlich hoch (Heiße Schokolade umgerechnet 4, Pizza ab 11-13 Euro); im Einzelhandel ist es geringfügig höher als bei uns, aber nicht so arg. Eventuell liegt das mit der Gastronomie daran, daß sie sehr wenig Umsatz mit Alkohol machen und daher das Geld woanders reinholen müssen. Alkohol müssen Restaurants und Bars nämlich wie jeder Bürger auch in den staatlichen Monopolläden kaufen, und sie zahlen auch die gleichen Preise.
Die Frauen - zumindest die meines Alters - sind in der Tat im Durchschnitt
recht hübsch, kein Vergleich mit Boston oder Deutschland. (Oslo könnte
vielleicht mithalten, aber das habe ich nicht so genau
studiert.) Die Vielzahl der Modeläden - immerhin hat die Stadt
weit weniger Einwohner als Frankfurt - deutet darauf hin, daß die
Bevölkerung auch recht modebewußt ist. Alle haben gerade "Utsala".
Im Gegensatz zu den Franzosen legen die Isen übrigens Wert darauf,
daß die Accents - ich glaube, es gibt sie nur auf a, i und u - auch
dann angegeben werden, wenn man die Buchstaben großschreibt. Außerdem
haben sie ein Umlaut-o und ein D mit einem komischen Strich durch,
plus dieses P/b/was auch immer, das als stimmloses (englisches) th
gesprochen wird. Neben "Utsala" ist das häufigste Wort, dem ich hier
in den Straßen begegne, "Gulsmidir" (hört sich an wie Goldschmied, ist
aber eher ein Juwelier), dicht gefolgt von "Ursmidur", einem Uhrenladen.
Vielleicht können die Linguistinnen unter meinen Lesern mir erklären,
wieso es einmal -ir und einmal -ur heißt? Oder war das Zufall, und man
muß zwischen männlichen und weiblichen Ladeninhabern unterscheiden?
Die Straßen heißen meistens auf -gata, -vegur oder -vogur (das kann man sich ja noch vorstellen), -hlid (mit komischem d) und ebenso häufig und ulkig, -braut. Es gibt aber noch viele andere Namen, ist also bei weitem nicht so uniform wie daheim.
Auf dem Heimweg von meiner nächtlichen Stadtrundreise habe ich zwei Jungs mitgenommen, die in der Nähe meines Gästehauses wohnen. Mit denen habe ich bißchen geplaudert, dann kam prompt die Frage: "So, are you rich or what?" - "Why?" - "Because you're travelling." Seltsam. Soll das heißen, daß der Durchschnitts-Ise nicht reist, weil er es sich nicht leisten kann? Ich dachte, das Wohlstandsniveau sei recht hoch hier. Oder haben sie nur gesehen, daß ich mein Auto bei Avis gemietet habe, und sich gedacht, das machen nur Leute, die zuviel Geld haben? Oder liegt es daran, daß ich im Winter unterwegs bin?
Leider habe ich vergessen, die beiden nach einer guten Disco für morgen zu fragen. Meine Unterlagen listen nämlich nur 3 Strip-Bars, eine Gay-Disco plus vier Läden, die nur Fr/Sa geöffnet sind. Naja. Ehrlich gesagt, in Frankfurt wüßte ich auch nicht, wo man an einem Montag oder Dienstag abend hingehen kann.
Ich habe mich entschlossen, eine zweite Nacht in dieser Unterkunft zu verbringen. Sie ist zwar sehr "basic", mit Dusche/Toilette auf dem Gang und keiner Teekochmöglichkeit, aber nun bin ich schon mal hier. Die Nacht auf Donnerstag werde ich dann in einem komfortablen Hotel in der Nähe des Flughafens zubringen. Wenn ich eins finde.
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